Analyse eines langfaserverstärkten Thermoplasten

Import eines µCT-Scans, Identifikation der Einzelfasern, Porenanalyse und Vorhersage der Steifigkeit

Faserverstärkte Verbundwerkstoffe spielen eine immer wichtigere Rolle bei Leichtbauanwendungen. Besonders großer Beliebtheut erfreuen sich kurz- und langfaserverstärkte Thermoplaste, da sie vergleichsweise niedrige Materialkosten, effiziente Produktionsverfahren, z. B. Spritzguss, und gute mechanische Eigenschaften, insbesondere bei Verwendung von Langfasern, miteinander verbinden.

Diese Werkstoffe weisen eine komplexe Mikrostruktur mit zwei Materialphasen (Fasern und Polymer) und in der Regel einer unerwünschten dritten Phase (Poren) auf. Zusätzlich beeinflusst der Herstellungsprozess selbst die Mikrostruktur, z. B. durch Veränderung der Faserorientierung oder der Faserlänge. Beim Spritzgießen führt die Befüllung der Form zu einem charakteristischen Schichtaufbau, der im einfachsten Fall aus zwei äußeren Schichten und einem Kern besteht. In den äußeren Schichten führen hohe Schergeschwindigkeiten zu einer Ausrichtung entlang der Fließrichtung. Die langsamere, laminare Strömung im Kernbereich bewirkt eine transversale bis zufällige Ausrichtung der Fasern. Dieser Effekt führt zu komplexen Faserorientierungen im Verbundwerkstoff. Mithilfe von µCT-Scans können die Fasern und Poren gründlich analysiert werden, um die Mikrostruktur spritzgegossener Materialien besser zu verstehen.

 

In dieser Studie wurde ein µCT-Scan eines glasfaserverstärkten Polypropylens analysiert, das vom Leibniz-Institut für Verbundwerkstoffe GmbH (IVW) hergestellt wurde. Es hat einen Faservolumengehalt von 13 %, einen Zugmodul von 6 GPa und eine Bruchdehnung von 2,5 % [1]. Bei dem Probekörper handelte es sich um einen spritzgegossenen, geschulterten Probestab des Typs 1A. Die mechanischen Prüfungen wurden nach DIN EN ISO 527-1 bis -5 [1] durchgeführt. In GeoDict wurden folgende Untersuchungen durchgeführt:

  • Import und Segementierung des µCT-Scans
  • Identifikation der Einzelfasern mittels FiberFind-AI
  • Identifikation der Poren mittels PoroDict
  • Analyse der mechanischen Eigenschaften mit ElastoDict

Diese Schritte können auch Sie einfach in GeoDict auf Ihr Material anwenden.


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Autoren und Anwendungsspezialisten

Dr.-Ing. Martina Hümbert

Senior Business Manager
for Digital Materials R&D

Andreas Grießer, M.Sc.

Senior Business Manager
for Image Processing and Image Analysis

Dr.-Ing. Oliver Rimmel

Business Manager
for Digital Materials R&D

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Import und Segmentierung des µCT-Scans

Vorgehensweise

In einem ersten Schritt wurden die Grauwertbilder des Scans zur Segmentierung in GeoDict importiert. Zur Verbesserung der Bildqualität wurde ein Nonlocal-Means-Filter angewendet (Patchradius: 1, Suchradius: 3, Filterstärke: 0,2). Die Segmentierung führte zu einem Faservolumengehalt von 13,2 % und einer signifikanten Anzahl von Poren, nämlich 1,3 %. Das resultierende Modell hat eine Größe von 1500x1500x800 Voxeln. 


Folgende Module kamen zum Einsatz

Identifikation der Einzelfasern

Vorgehensweise

Die Fasern im segmentierten Scan wurden mithilfe eines selbst trainierten neuronalen Netzes identifiziert. Für technische Details siehe [2]. Die Faseranalyse liefert u. a. den Faserdurchmesser und die Faserorientierung. Die Faserorientierung wurde auch über die Dicke des Scans analysiert. Dabei zeigte sich der typische dreischichtige Aufbau spritzgegossener Materialien, wie rechts dargestellt. Alle Fasern, die einen Winkel zur x-Richtung von mehr als 25° aufweisen, wurden rot markiert.


Folgende Module kamen zum Einsatz

Analyse der Poren

Vorgehensweise

Die Poren wurden mithilfe eines auf Watershed- Algorithmus identifiziert. Ihre Form, ihr Durchmesser und ihre Lage wurden analysiert. Die Poren befinden sich hauptsächlich in der inneren Region, in der die Fasern nicht zur Fließrichtung ausgerichtet sind, und haben einen mittleren Durchmesser (Durchmesser der volumenäquivalenten Kugel) von 237,367 µm mit einer Standardabweichung von 97,4617 µm.


Folgende Module kamen zum Einsatz

Vorhersage der mechanischen Eigenschaften

Vorgehensweise

Die mechanischen Eigenschaften des Scans wurden analysiert und das Ergebnis mit den am IVW durchgeführten Zugversuchen verglichen. Dazu verwendeten wir den vom Fraunhofer ITWM entwickelten Finite-Differenzen-basierten Voxel-Solver FeelMath, der in GeoDict integriert ist. Zum Vergleich wurden die Elastizitätsmoduln in Richtung der Injektion herangezogen. Dies ist auch die Hauptfaserrichtung in den Deckschichten. Die Elastizitätsmodule der für die Simulation verwendeten Materialien, der IVW-geprüften Probe und des in GeoDict simulierten segmentierten Scans sind in der Tabelle rechts aufgeführt.

Darüber hinaus wurde der Einfluss der Poren auf die Steifigkeit analysiert. Zu diesem Zweck wurden die Poren im segmentierten Scan ebenfalls mit Polypropylen gefüllt. Der Elastizitätsmodul mit Poren betrug 5,80 GPa und der Elastizitätsmodul ohne Poren 5,88 GPa. Dieser minimale Anstieg zeigt, dass die Poren keinen wesentlichen Einfluss auf den Elastizitätsmodul haben, obwohl sie recht groß erscheinen. Sie befinden sich jedoch hauptsächlich in der Kernschicht, in der die weniger ausgerichteten Fasern nicht in demselben Maße zum Elastizitätsmodul beitragen wie die eher geraden Fasern in den äußeren Schichten.


Folgende Module kamen zum Einsatz

Quellen

[1] H. Andrä, M. Gurka, M. Kabel, S. Nissle, C. Redenbach, K. Schladitz, O. Wirjadi: Geometric and Mechanical Modeling of Fiber-Reinforced Composites. In: D. Bernard, J.-Y. Buffière, T. Pollock, H.F. Poulsen, A. Rollett, M. Uchic (Eds.): Proceedings of the 2nd International Congress on 3D Materials Science (3DMS). Annecy, 29.06.-02.07, pp. 35–40, John Wiley & Sons, 2014.

[2] A. Grießer, R. Westerteiger, M. Azimian, B. Planas, A. Wiegmann: Identification of Fiber Characteristics of a Filter Media based on Artificial Intelligence (AI) with GeoDict. Downloaded from https://doi.org/10.30423/report.m2m-2020-01, 2020.

Danksagung

Wir danken dem Leibniz-Institut für Verbundwerkstoffe für die Bereitstellung des µCT-Scans.